Contact Improvisation – Rumkugeln für alle

Toben im Tattoostudio

 
Jemand kniet im Vierfüßlerstand auf dem Boden und eine andere Person legt sich quer über ihren Rücken und rollt dann breitbeinig darüber hinweg. Oder eine Person steht aufrecht und eine andere lehnt sich an sie an und rutscht dann an ihr herunter während sie sich gleichzeitig um die eigene Achse dreht. Es gibt nachvollziehbare Gründe das erst einmal seltsam zu finden.
 
Vor drei Jahren geriet ich vor allem deshalb in meinen ersten Contact Impro, weil ich keinerlei Ahnung hatte, worum es dabei ging und was mich dort erwartete. Irgendwas mit Kontakt und Improvisation, einfach mal gucken. Was dort in einem Dortmunder Tattoostudio passierte, wurde erst zu meinem persönlichen Lieblingsblogbeitrag und war dann Teil der Gründungsidee von Intuivent, das anfangs „Rumkugeln“ hieß, da das, was ich dort erlebt hatte, sich mit diesem Begriff gut zusammenfassen ließ. Mit Tanzen hatte es jedenfalls nicht viel zu tun.
 
Seitdem ist viel passiert, unter anderem Corona und mein Umzug ans Meer, sodass mein zweiter Contact Impro Anfang April in Kiel stattfand. Hier macht das Axel Luther und er macht das richtig gut. Zunächst hat er uns ein paar Grundlagen vermittelt und mit ganz einfachen Übungen begonnen. Nach so langer DisTanz war das wichtig, um sich Schritt für Schritt wieder an die körperliche Nähe fremder Menschen zu gewöhnen.

 

Voller Körpereinsatz

 
Ich war sehr gespannt, wie es wohl werden würde. Zu nah? Unangenehm? Vielleicht sogar wieder richtig peinlich, beschämend gar? Und: nichts dergleichen. Im Gegenteil. Wie am Ende des ersten Versuchs ging es durchaus wild durcheinander und meinen Part würde ich erneut eher als Rumkugeln, weniger als Tanzen beschreiben. Die blauen Flecken am folgenden Tag zeugten davon, dass ich jedenfalls mit vollem Körpereinsatz dabei war. Für ein paar zartere Gemüter, die eher zurückhaltend und achtsam in solche Begegnungen gehen, war’s möglicherweise einen Tick zu viel.
 
Erneut hatte ich großen Spaß dabei, und da beim Contact Impro niemand Noten für künstlerischen Ausdruck vergibt, ist das für mich auch die Hauptsache. Toben für Große. Weniger Tanzparkett, mehr Spielplatz. Nachdem ich zunächst dachte, dies sei vielleicht in Ermangelung tänzerischen Vermögens und ausdrucksstarker Eleganz nur meine sehr freie Interpretation von Contact Impro, konnte ich mich selbst eines Besseren belehren.

 

50 Jahre Contact Impro

 
Die Contact Improvisation (CI) hat nämlich einen runden Geburtstag, es gibt sie 2022 seit nunmehr fünfzig Jahren. Der amerikanische Tänzer und Choreograph Steve Paxton gilt als Vater dieses zeitgenössischen Tanzstils. Es ging ihm damals darum, dass jede*r durch CI die Möglichkeit hat, Bewegungen und Bewegungsimpulse, Schwerkraft und Balance zu erforschen. CI enthält Elemente aus Tanz und Sport, Kampfkunst und Kinderspiel. Rumkugeln gehört also durchaus dazu.
 
Beim nächsten Mal will ich trotzdem etwas mehr auf den Bewegungsdialog mit rollendem Kontaktpunkt, Gleichgewicht und Schwerkraft achten. Vielleicht gibt es dann ein paar blaue Flecken weniger, wenn jemand sein Gewicht an mich abgibt und ich nicht unvermittelt vom Vierfüßlerstand in den Flunderzustand plumpse.
 

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Website von Axel Luther (nächste Termine: 6. Mai, 10. Juni und 24. Juni).
 
Vom 21. bis 25. Mai findet das nächste Intuivent statt.
 
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Fotos: Screenshots aus einem Youtube-Video (CC-Lizenz)

 

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